Ein Bier bestellen geht gar nicht. Damit sagt man, dass man ne knickerige Sau ist, keine Freunde hat oder Antialkoholiker, quasi das Allerletzte.
Also immer mindestens zehn Stück, einen Meter oder ein ganzes Tablett. Nie vorher abzählen, wie viel Leute um einen herumstehen und dann genau die Anzahl bestellen.
Am besten irgendeine Zahl über die Theke grölen und ab dafür.
Ganz falsch: Die Umstehenden fragen, ob sie überhaupt noch ein Bier haben wollen. Wichtige Regel: gefragt wird nicht. Saufen ist schließlich kein Spaß.
Wenn der Stoff da ist, nicht blöd rumgucken und überlegen, wem man denn eins in die Hand drücken soll. Am besten die Gläser wild in der Umgebung verteilen, denn nur
so zeigt man seine Großzügigkeit. Nur der Kleinkarierte Pisser stellt sich da an.
Wer zahlt wann welche Runde? In der Regel kommt jeder der Reihe nach dran. Ganz miese Wichser saufen die ersten neun Runden an der Theke mit und wenn sie an der Reihe
wären, müssen sie plötzlich pissen. Der erste Besteller bestimmt meist die Dauer des Projekts: Wenn er zwölf Bier bestellt, müssen alle solange warten, bis zwölf Runden durch
sind. Wichtig ist, dass der Strom nie abreißt. Also wenn alle noch die
Hälfte im Glas haben, sofort die nächste Runde ordern und das neue Glas in die Hand drücken. Was voll peinlich ist: Mit zwei Gläsern in der Hand an der Theke stehen, deshalb ist Tempo angesagt beim
Reinschütten, ist schließlich kein Kindergeburtstag.
Richtig fiese Schweine bestellen zwischendurch noch ne Runde Korn oder zur absoluten Krönung "Kümmerling". Hier wird es ernst. Sollte sich so was andeuten, kann man
bloß noch die Flucht ergreifen. Merke: Biersaufen kann man überleben auf dem Zeltfest mit etwas Planung und Glück; nach mehreren Kümmerling weigert sich sogar der Notarzt, diese Schweinerei wieder zu
beleben.
Konsequent durchgezogen, bist Du normalerweise auf dem Zelt um halb Neun stramm wie die Kesselflicker. Geht natürlich nicht, weil Du kannst ja noch nicht Hause, wegen
Verdacht auf Weichei. Was also dann? Pausen machen! Dafür ist meistens das Tanzen vorgesehen.
Tanzen:
Ist natürlich eine schlechte Wahl, weil anstrengend und mit Frauen. Aber irgendwann geht halt kein Riemen mehr rein in den Pansen und Du musst in den sauren Apfel beißen. Also zack, einen Rochen von
den Bänken gerissen und irgendwie bescheuerte Bewegungen machen. Wenn Du Glück hast, spielt die Kapelle mehr als zwei Stücke und Du kannst Dir ein paar Bier aus den Rippen schwitzen. Hast Du Pech,
kommt sofort nach dem ersten Stück der Thekenmarsch und Du stehst wieder da, von wo Du gerade geflohen bist.
Sektbar:
Eine richtig gruselige Bude, quasi die Abferkelbox im Festzelt. Hier ist es so voll und eng, hier bleibst Du auch noch stehen, wenn`s eigentlich nicht mehr geht. Es soll schon Kriegsverletzte gegeben
haben, denen hat man in der Sektbar beide Beinprothesen geklaut und sie haben’s nicht gemerkt. Doch der Preis, den Du für die Stehhilfe zahlst ist hoch: Du musst Sekt saufen aus so mickrigen
Blumenvasen, die man von der Spermaprobe beim Urologen kennt. Ziemlich eklig alles. Wenn’s keine Sektbar gibt, gibst meist ne Cocktailbar: Cocktail, heißt im Zelt aber nicht Caipirinha oder
Margerita, sondern Fanta/Korn oder Korn mit Fanta. Also vorsichtig. Hier kann’s ganz schnell zu Ende gehen. So besäuft sich der kritische Verbraucher und hat es ruckzuck geschafft. Doch bevor Du nach
Hause darfst, kommt noch ein ganz wichtiger Punkt, nämlich...
Kotzen:
Klingt scheiße, Du wirst aber dankbar sein, wenn Dein Körper, Dir dieses Geschenk bereitet. Du hast Platz für neue Bratwürste oder o.ä und vielleicht sogar Glück, dass Du die letzten zwanzig Bier
noch erwischt, bevor sie Dein Gehirn erreicht haben. Der Profi jedenfalls kotzt oft und
gern.
So jetzt wären wir auch schon bald beim Nachhause gehen. Haha. Wenn Du aber den Zeitpunkt verpasst hast, und Du kommst vom Pissen oder kotzen wieder ins Zelt und es sind bloß noch zwanzig Mann übrig.
Ätsch: Arschkarte gezogen. Denn jetzt heißt es:
Hütte kaputt
hauen:
Ein wenig Aggressionen abbauen, einfach den Hut überall gegen hauen (aber am besten nicht in die Kotze) und hoffen das er irgendwann kaputt geht und man nicht mehr als Hutschoner da steht und die
Kirmes ohne Spott feiern kann.
Die
Letzten:
Ab jetzt geht es um so spannende Sachen wie Fassaussaufen - es ist immer mehr drin, als Du denkst, oder Absacker trinken, wenn’s wieder ein Kümmerling ist, kannst Du Dir gleich den Umweg über den
Notarzt sparen und den Bestatter anrufen. Jeder passt jetzt auf, dass keiner heimlich abhaut. Die ersten sacken einfach so vor der Theke zusammen, damit sie jedenfalls nicht noch mehr saufen müssen.
Vorteil dieser Phase des Zeltfestes: Du musst nicht mehr extra nach draußen latschen für Pissen und Kotzen: geht jetzt alles vor Ort.
Nach Hause:
Mach Dir keine Illusionen: alleine schaffst Du es nicht mehr, Taxis gibst nicht auf dem Land, und wenn, würden sie Dich nicht mitnehmen. Deine Frau kommt nicht, um Dich zu holen,
die ist froh, dass dieses Wrack nicht in ihrer Wohnung liegt und der Gestank in die Möbel zieht. Was bleibt ist…
Der Morgen
danach:
Die ersten Sonnenstrahlen brechen durch die Ritzen in der Zeltfestplane. Du wirst wach von einem Zungenkuss, wie Du ihn noch nie in Deinem Leben gekriegt hast. Leidenschaftlich küsst Du zurück. Dann
machst Du Deine verklebten Augen auf und blickst in das fröhliche Gesicht des zottigen Köters von dem Karusselfritzen. Und mit einem eigenen Beitrag zum Thema Würfelhusten fängt der Tag wieder an.
Dein Kopf fühlt sich an wie nach einem Steckschuss. Jetzt hilft nur noch: Bier stürzen bis die Maschine wieder halbwegs normal läuft. Seid froh, dass die Kirmes – Saison bald wieder vorbei ist, wir
alle hier können stolz und fröhlich sein, denn wieder einmal haben wir es überlebt.